Mobile Videobearbeitung

Bizarre Vorstellung: Man ist im Urlaub – Hat in den ersten Tagen bereits erste Aufnahmen gemacht – Liegt am Strand – und möchte mit den frischen Vorstellungen im Kopf bereits mit dem Vorsortieren, der Szenenauswahl, sogar schon mit dem Grobschnitt beginnen – oder gar den zu Hause gebliebenen mit den ersten Urlaubsimpressionen über YouTube & Co. überraschen. In der heutigen, digitalisierten Welt, kein abwegiger Gedanke.

Wer aber möchte dafür jedoch immer gleich die Hardware für eine ausgewachsene Videoschnittsoftware mit sich rumschleppen? Vor allem unter den Gesichtspunkten, dass das mitgeführte Reisegepäck bei den meisten Airlines immer weiter nach unten korrigiert wird und schließlich das Videoequipment und evtl. sogar eine Drohne auch noch mitgeführt werden soll.

Bizarr? Dank immer leistungsfähigeren Hardware und dahingehend angebotener Software G.s.D. nicht mehr. Während ich diesen Beitrag schreibe bin im auf Rhodos und habe folgendes Equipment dabei.

  • Für Video- und Fotoaufnahmen eine kompakte Panasonic Lumix LX100 Mark II mit MFT-Sensor und Lichtstarkem f 1.7-2.8 / 24-75 mm Leica Objektiv
  • Für evtl. Mobile-/Action-Aufnahmen eine Insta 360 One X
  • Für Aerial-Aufnahmen meine Mavic 2 Pro mit DJI ND4-32 Filter und Standardcontroller
  • Als immer zur Hand Kamera mein iPhone 11 Pro

darüber Hinaus

  • Mein iPad Pro 11“ aus dem Jahr 2018
  • Einen RAVpower FileHub and Wireless-Travel-Router AC750
  • 2 Samsung 1TB T5 SSD-Laufwerke
  • Einen AKG-Y50BT-Bluethooth Kopfhörer
  • PowerBank PowerCore II 10.000 mAh

Alles passt inkl. aller Reisedokumente und Reiselektüren in (beide) Handgepäcke ohne die jeweiligen Grenzen zu überschreiten.

Mobiles Videoediting ist jetzt aber doch nicht so Fremd oder besser gesagt neu. Gerade wer auch bisher schon mit iOS-Geräten unterwegs war, kennt bereits das kostenlos enthaltene iMovie mit dem man Dank vorgefertigter Layouts, relativ schnell ein paar Clips zu einem netten Filmchen zusammenfügen kann. Man kann ein paar einfache Übergänge auswählen, einen Titel generieren und das Ganze mit etwas Musik unterlegen. Man kann sogar für das Video einen Farblook auswählen und das Ganze direkt zu YouTube, FaceBook, Vimeo & Co. hochladen.

Also eigentlich konnte man bereits alles machen, um ein erstes Video Online bereit zu stellen. Gut ist hier auch, dass man erste Bearbeitung in iMovie am Mac weiterführen konnte und von hier sogar für die aufwendigere Bearbeitung nach „Final Cut Pro X“ (FCPX) exportieren konnte.

Für den ambitionierteren Enthusiasten war das jedoch nicht ausreichend. Leider konnte man Videoclips in iMovie nicht mit Schlüsselwörter (Tag´s) versehen, ein wichtiger Aspekt für die Clipauswahl bei der weiteren Bearbeitung unter FCPX. Ein weiterer Aspekt ist das Videoediting unter iMovie für iOS welches Clipbassiert und m.E. leider sehr eigenwillig und eingeschränkt ist. Es ist nun mal für das schnelle Edit mit wenig Einarbeitung und wenig Anforderungen gedacht. Dafür ist es sehr gut und m.E. bei weitem besser als der ebenfalls kostenlos angebotene Movie-Maker des mitwettbewerbers Microsoft, aber eben auch nicht mehr.

Der beste Ansatz zur Verbesserung der Situation kommt von Apple selbst. Mit Einführung ende September 2019 von iPadOS 13 ist es nunmehr möglich, (zumindest) am iPad Pro, am dortigen USB-C Anschluss eine externe Festplatte anzuschließen und über die Dateien-App einen fast vollständigen Zugriff zu erhalten. Hier kann man als registrierter Apple-User auf die bereits unter MacOS im Finder angelegten, eigenen Tag‘s (Schlüsselwörter) zuzugreifen und die gemachten Aufnahmen bereits damit zu „Verschlagworten“. Diese Schlagwörter lassen sich dann beim Import nach FCPX mit übernehmen und in eine intelligente Schlagwortsammlung in FCPX überführen. Das ist zwar noch nicht so komfortabel wie direkt in FCPX selbst, wo man sogar einzelne Sequenzen innerhalb eines Clip‘s mit eigenen Schlagworten versehen kann, dennoch deutlich besser als alles andere bisher.

Fehlt für den iPad noch eine App wie AVIdemux, wo man größere Clips ohne erneutes Rendern in kleinere Sequenzen verlustfrei zerlegen und diese dann entsprechend „Verschlagworten“ kann. Mit den jetzigen Möglichkeiten von iPadOS 13 ist das m.A.n. auch nur noch ein Frage der Zeit. Evtl. ist mir aber auch nur noch keines dieser Lösungen bekannt. Evtl. gibt es ja auch mal eine dann relativ kostengünstige App mit der man bereits Sequenzen innerhalb eines Clips mit Schlagwörtern versehen kann, die man dann direkt in FCPX weiter verwenden kann.

Zurück zum eigentlichen Filmediting. Für den etwas ambitionierteren Videofilmer ist für das mobile Editing unter iOS bereits LumaFusion ein entsprechender Begriff. Dieses für aktuell rd. 33,- € erhältliche Videoschnittprogramm (m.E. ein Schnäppchen) hat aktuell mit Version 2.0 ein umfassendes Facelift mit weiteren Funktionen erhalten. Entsprechend handlungsbasiertem Videoediting und der jetzt magnetischen Timeline erinnert es vom Workflow doch stark an FCPX (ein Schelm der Böses dabei denkt).

LumaFusion bietet dabei jetzt 6 Video-/Audiospuren und zusätzlich 6 weitere Audiospuren. Das Editing ist dabei, wie bereits oben geschrieben Handlungsbasiert. Im handlungsbasiertem Videoschnitt gibt es gegenüber dem spurbasiertem Videoschnitt eine Storyline (Handlungs-/Hauptspur). Während bei einem spurbasiertem Schnittprogramm alle Spuren unabhängig zueinander nur dem entsprechenden Video-Frame / der entprechenden Videozeit, zugeordnet sind, sind beim handlungsbasiertem Videoschnitt alle Inhalte in weiteren Audio- und/oder Video-Spuren dem Haupt-Clip (Handlung) in der Storyline wie ein darüber gelegter Layer direkt zugeordnet. Verschiebt man innerhalb der Story eine Handlung in der Hauptspur, so verschiebt man alle damit verbundenen Inhalte, Effekte, Texte, etc. in den anderen Spuren mit.

Als dieses Verfahren mit FCPX zum ersten mal eingeführt wurde, ging eine Aufschrei durch die Welt der Video-Cutter, da sich der Workflow doch umfangreicher änderte als es die obige Ausführung erahnen läßt und viele wiesen dem damaligen Final Cut Pro 7 den Rücken zu. Inzwischen hat man erkannt, das diese Art des Editing viele Vorteile mit sich bringt vor allem dann, wenn es heißt noch einmal etwas in der Story zu ändern bzw. anzupassen.

Jetzt auch also LumaFusion, der diesen Schritt gegangen ist und gerade am iPad dieses Verfahren mit dem ApplePencil seine Vorteil voll auskosten kann. Dazu kommen dann noch viele Features die man aus der Welt des Videoschnittes am PC kennt und auf mobilen Endgeräten lange suchen musste. Viele der Effekte wie Zuschnitt, Position, Größe aber auch Texte und Farbbearbeitung lassen sich per „Keyframing“. Das heist, der Effekt läuft nicht über den gesamten Clip auf den er angewendet wurde, sondern ab bzw. bis zu der Position wo die Veränderung gewünscht ist.

Damit lassen sich dann eindrucksvolle Animationen realisieren aber auch z.B. bei Panoramadrehungen die Helligkeitsunterschiede (zw. mit und gegen das Licht) effizient ausgleichen. Aber auch die Möglichkeit, LUTs zur Anwendung spezieller Log-Gamma-Profile verschiedener Kamera-Hersteller. Damit lassen sich z.B. das D-LogM der DJI Mavic 2 Pro, das V-Log von Panasonic, S-Log von Sony oder Protune von GoPro, dank dieser LUT-Funktionalität in einen standardisierten Farbraum überführen.

Auch das anschließende Colorgrading stellt mit LumaFusion kein Problem dar. Neben vielen vorgefertigten Presets lassen sich diese in vielen bekannten Parametern (Lichter, Schatten, Helligkeit, Kontrast, Sättigung, Farbtemperatur, usw. usw.) anpassen und dann auch als eigene Presets wieder speichern.

Ihr seht, ich bin relativ begeistert von dieser App. Jedenfalls bietet LumaFusion Möglichkeiten, die Videoschnittprogramme am PC für diesen Preis nicht einmal bietet. Jetzt kann man sagen, die Möglichkeiten beim Editing sind das Eine, das Umsetzen in der Praxis etwas Anderes. In der PC-Welt benötigen Programme wie Adobe Premiere Pro, DaVinci Resolve, FCPX dann auch leistungsfähige Hardware oder eben viel, sehr viel Zeit um erstens Proxy-Dateien zu erstellen und zweitens dann das Ergbenis in entsprechender Qualität ausspielen zu können.

O.K., der iPad Pro gehört in seiner Gattung zu den potentesten (wenn nicht sogar das potenteste) Gerät was man derzeit bekommen kann. Wnn ich aber sehe, wie sich ein iMac mit i7, 32 GB Ram und dedizierter 8GB Grafikkarte teilweise schwer tut, muss ich sagen, ich bin von meinem iPad in diesem Zusammenhang mehr als begeistert. Er spielt ein FullHD-Film mit 50 Mbit/s in knapp der hälfte der Video-Spielzeit und ein 2.160p mit 100 Mbit/s in doppelter Video-Spielzeit ohne jegliche weitere Probleme aus. Mancher Desktop-PC vor allem aus der Windowswelt muss dafür eine gesonderte Nachtschicht einlegen.

Für mich jedenfalls als ambitionierter, privater Filmer, gibt es keinen Grund mehr, einen potenten MacBookPro mit dedizierter Grafikkarte mitzuführen. Angeblich soll sogar der Export der LumaFusion-Projektdateien (Mediathek) zu FCPX möglich sein, dazu mehr sobald ich wieder zu Hause bin.

Auch Interessant Für jene, für die LumaFusion genau den Leistungsumfang bietet und auch am Mac keine andere Lösung benötigen. Mit dem demnächst (Gerüchte sagen sogar noch heute) erscheinenden MacOS 10.15 Catalina, sollen auch iOS-/iPadOS-Apps direkt und ohne Einschränkungen am Mac laufen.